Heute möchte ich einmal meinen Tagesablauf vom Freitag, 13.8. beschreiben, ähnlich waren die Tage der letzten 2 Wochen. Über besondere Aktivitäten habe ich ja berichtet, aber den „Alltag“ habe ich so noch nicht beschrieben.

Ich stehe gegen 6.00 Uhr auf, nachdem ich eigentlich schon eine Stunde wach bin. Gegen 5.00 Uhr beginnt die Küchencrew von Kigeme A direkt hinter meinem Schlafzimmerfenster mit Freude, Gesang und Töpfe klappern ihre Arbeit. An richtigen Schlaf ist da nicht mehr zu denken, aber das macht nichts, in der Regel gehe ich früh schlafen. Letzte Nacht allerdings nicht, da habe ich noch bis Mitternacht Berichte geschrieben für die Webpage, so dass ich mich doch noch etwas müde aus dem Bett gequält habe. Nach einer kurzen Wascheinheit aus meiner geliebten grünen Schüssel mit warmen Wasser aus der Teekanne gibt es dann ein kleines Frühstück aus Brot mit Marmelade und einer Tasse Nescafé. An Schultagen kommt Chantal nur abends, morgens ist es eh nicht viel zu machen und mittags esse ich in der Schule. Nachdem ich noch die letzten Fußbälle eingepackt habe, geht es dann zu Fuß 8 Minuten zur Schule. Ein totaler Luxus im Vergleich zur Heimat, wo ich ja 35 km mit dem Auto unterwegs bin.

In der Schule ist dann um 7.00 das Morgenritual, von dem ich ja schon berichtet habe. Dort werden die wichtigen Informationen über den Tag an die Schüler:innen weiter gegeben (die ich allerdings nicht verstehe, mein kinyarwanda beschränkt sich auf 15 einfache Floskeln, die ich aber sehr häufig zur Freude meiner Mitmenschen anwende…). Dann gehen Kids und Lehrer in die Klassen und es beginnt der Unterricht. Entweder gehe ich dann mit in den Mathe- oder Chemieunterricht oder Noel hat noch eine Besonderheit für mich organisiert. So auch gestern.

Ich hatte ihn gebeten die Personen treffen zu können, die im Flüchtlingslager Sportangebote für die Kinder durchführen und es gibt dort Trainer für Fußball. Die beiden kamen dann zu Noel ins Büro und wir haben kurz gesprochen über die besondere Wichtigkeit dieser Aufgabe und dann habe ich meine letzten 4 Fußbälle überreicht. Die beiden waren überglücklich und haben sich extrem bedankt. Sie trainieren sonst meist nur mit den selbst gebastelten Bällen aus Plastikfolie und Schnur. Diese Bälle sind absolut an der richtigen Stelle angekommen!

Vielen Dank auch hier wieder an die verschiedenen Spender, die ich ja unter der Rubrik Danksagungen erwähne oder auch schon vorgestellt habe.

Dann haben Noel, Anne und ich uns hingesetzt und eine Liste mit zukünftigen Projekten erarbeitet. Diese Liste reicht von kleinen Dingen (Material für die Lehrer, Fortbildung…) bis hin zu dringend notwendigen Renovierungen oder auch Neubauten (für die Küche und die ältesten 3 Klassenräume aus dem Jahr 1931) also große und langfristige Projekte. Ich werde dies noch einmal extra beschreiben, da dies eine wirklich sinnvolle und notwendige Unterstützung auch von Deutschland aus sein kann und wird (für mich auf jeden Fall und gerne natürlich auch für noch weitere hilfsbereite Menschen…). Mich haben sofort auf dieser Liste die ca. 200 Paar Schuhe angesprochen, die für die Kinder aus dem Kindergarten und der Primary Schule fehlen und auf der Liste stehen. Ich habe auch schon Kids ohne Schuhe hier in der Schule gesehen, auch beim Sport sind Schuhe hier oft Mangelware. Die „Schuhe“ sind wie Crocks oder Schlappen, mit denen wird alles gemacht, auch Fußball und Volleyball. Ein Paar „Schuhe“ kostet hier 1,50 € und gibt sehr viele Eltern, die dieses Geld nicht haben und die Schule versucht dann ihr Möglichstes, um dieses Geld aufzutreiben. Dies hat mir zum wiederholten Male gezeigt, wie unterschiedlich das Leben hier und in Deutschland doch ist.

Dann bin ich in den Matheunterricht der S3 (9. Klasse bei uns und hier die letzte Klasse) gegangen und habe zugeschaut und kurze Hinweise aus meiner Unterrichtserfahrung eingefügt. Es ist so, dass ich nur ergänzend oder abschnittsweise unterrichte, keine kompletten Stunden gebe. Aber das ist auch gut so, denn oft fehlen mir Fachbegriffe in Englisch. Gerade in Mathe wird hier doch sehr viel tiefer in die Theorie eingestiegen und alles mit Formeln berechnet, dagegen sehr wenig gezeichnet oder handlungsorientiert gearbeitet, eben weil auch nichts an Material da ist. Thema war Ähnlichkeit und zentrische Streckung und die letzte Woche angeschafften Lineale und Dreiecke waren sehr hilfreich. Leider haben die Kids nichts, vereinzelt habe ich einen Winkelbogen gesehen, aber der allergrößte Teil der Schüler hat genau 2 Kugelschreiber und ein kariertes DIN A5 Heft. Nach der Stunde war kurze Pause und die verbringe ich im Office mit dem Team, dort gibt es einen Nescafé und heute gab es auch ein Gebäck, sehr lecker.

Nach der Pause habe ich mich mit dem Mathelehrer zusammengesetzt und wir haben die Einheit besprochen und uns über unterschiedliche Methoden ausgetauscht. Dabei versuche ich kleine Beispiele zu nennen, die auch unter diesen Bedingungen funktionieren könnten. Ich werde über den Unterricht und die Bedingungen auch noch einmal einen gesonderten Bericht schreiben.

Wir haben uns auch das neue Curriculum angeschaut, dass hier seit kurzem eingeführt wurde und auf kompetenzorientiert aufgebaut ist. Bis vor kurzem war hier alles auf fachlichen Inhalt ausgerichtet und sehr wissenschaftlich orientiert. In dem neuen Curriculum sind auch methodische Kompetenzen aufgeführt und davon haben wir versucht einige konkret für die nächsten Stunden zu planen. Nach einer weiteren Einheit in einer anderen Klasse S3 war dann Mittagspause, die ich immer mit dem Stuff eingenommen habe. Dieses Team arbeitet sehr gut zusammen und es ist sehr bewegend zu sehen, wie hier mit wenig Mitteln so viel erreicht wird. Ich habe mich die ganze Zeit sehr gut aufgehoben gefühlt.

Am Ende der Pause habe ich dann die Gelegenheit ergriffen und aufgrund der in der Liste aufgeführten fehlenden Schuhe eine Spende von 150 € überreicht. Das Geld kommt von Oliver Siepers und mir, es war mir ein absolutes Anliegen der Schule dabei zu helfen dafür zu sorgen, dass jedes Kind (besonders die richtig Kleinen mit 3-6 Jahren) ein paar Schuhe hat. Im Stuffteam brach riesige Freude über diese für sie große Summe aus. Fast alle hatten noch nie einen 50 € Schein in der Hand, so dass spontan daraus ein Freudentanz wurde. Seht am besten selbst!

Nach dem Mittagspause habe ich dann mit dem Chemielehrer Fistou über unsere gestrige Chemiestunde gesprochen, in der wir arbeitsteilige Gruppenarbeit mit anschließender Präsentation durchgeführt haben. Dazu hatte ich den Kids, die aus unserer Sicht wichtigsten Merkmale einer guten Gruppenarbeit vorgestellt und diese wurden dann auch für das erste Mal ziemlich gut umgesetzt. Fistou war auch sehr angetan, mit wie viel Freude und Engagement die Gruppen die Merkmale umgesetzt haben. Dabei wurde klar, dass auch hier in Klassenteams mehr erreicht werden kann, als wenn jeder Lehrer als Einzelkämpfer nur seine Inhalte durchpauken will. Er versucht weitere Kollegen zu gewinnen, in ihren Stunden auch häufiger Gruppenarbeit in dieser Form durchzuführen und somit ein Training der Schüler auch mit dieser Methode zu erreichen. Letztendlich ist das ein kollegialer Austausch, der sehr erfreulich war und vielfach so in den letzten Tagen stattgefunden hat.

Nicht so toll war dagegen meine spontan durchgeführte Sportstunde in der S2 (8. Klasse) in Sport. Dort sollte ich dann spontan die Stunde halten, an sich kein Problem. Jedoch war dann auf dem Schotterplatz der Schule (nicht der große Fußballplatz) schon ziemlich viel los. Es liefen jede Menge kleinere Kids aus der Primary School dort herum und spielten und als wir dann mit der Klasse dort ankamen wurden es wie immer sofort viel mehr. Ich hatte 8 von den kleinen Bällen mitgenommen und wollte ein paar Lauf- und Staffelspiele durchführen, aber das ging ziemlich in die Hose. 48 Kids ohne irgendwelchen Sportsachen auf einem Feld in der Größe eines Volleyballfeldes zu aktivieren war schwierig. Und als ich dann die Bälle rausholte war es ganz vorbei, die kleinen Kids waren fast nicht mehr vom Platz zu vertreiben, von der eigentlichen Klasse war es wie bei uns: einige rissen sich um die Bälle und wollten sofort loslegen und einige haben sich hinten einfach hingestellt und gequatscht. 8. Klasse eben, Vollpubertät und da ich keinen einzigen kannte, war das sehr schwierig. Der Lehrer war damit beschäftigt die „Zuschauer“ vom Feld zu scheuchen und ich habe versucht Übungen zu erklären oder zu zeigen… Naja, kann ja auch nicht alles klappen. Die ca. 100 Zuschauer am Zaun von Außerhalb haben sich bestimmt auch ihren Teil über den „Musungu“ gedacht. Ich war mit der Masse der Kids und der Orga beschäftigt, so dass ich keine Bilder machen konnte, aber jeder Kollege kann sich sicher vorstellen, was da los war…

Um 15.30 war dann Schulschluss für die Secondary School, die Kleinen bleiben noch bis 17.00 Uhr dort. Ich bin dann nach Hause, ich hatte um 17.00 Uhr einen Termin beim Bischof.

Der Bischof hat mir hier alles ermöglicht und ist ein einflussreicher und außerordentlich netter Mann. Da er Samstag und Sonntag komplett in Kigali ist und ich am Montagnachmittag hier abfahre (mein Flieger geht morgens um 8.00 Uhr, 2 Stunden vorher da sein und 4 Stunden Fahrt hieße 2.00 Uhr losfahren und dies die ganze Zeit im Dunkeln, das ist gefährlich. Somit werde ich am Vortag in die Hauptstadt gebracht, übernachte dort noch im Hotel und kann dann in Ruhe am nächsten morgen mit dem Taxi zum Flughafen), ist dies die letzte Chance auf eine gemeinsame Zeit und so haben wir 30 Minuten über meine Erfahrungen und auch über die Zukunft gesprochen. Anschließend hat er mich zu einem gemeinsamen Dinner in sein Haus eingeladen, dass seine Frau gezaubert hatte. Es waren dort auch noch weitere wichtige Menschen anwesend und wir haben uns gut unterhalten und zum Abschluss hat sich jeder ausführlich bedankt für die gute Zeit. Ich habe sehr viel Wertschätzung erfahren und bin für mein Engagement und meine offene Art hier sehr gelobt worden. Aber auch ich habe sehr deutlich machen können, wie sehr mir die Menschen hier alle geholfen, mich willkommen geheißen haben und wie sehr sie mir ans Herz gewachsen sind. Zum Abschluss habe ich noch ein Poloshirt mit der Vision der Kirche hier geschenkt bekommen. Ich war wieder sehr tief berührt. Ich habe leider kein Foto gemacht, aber das Shirt passt und das habe ich dann heute fotografiert.

Da ich in der letzten Nacht noch lange geschrieben hatte und schon um 5.00 Uhr der „Küchenwecker“ losgeht, bin ich um 21.00 Uhr müde ins Bett gefallen.
In den letzten Tagen war der Ablauf sehr ähnlich, mit Ausnahme der Termins beim Bischof. Dafür war ich dann mehrmals in Kigeme A zum Volleyball spielen nach der Schule und Chantal hatte für mich hier in meinem Haus das Dinner gezaubert, was wir dann auch gemeinsam eingenommen haben. So sahen meine Tage in der Woche aus, wenn nichts Außergewöhnliches passiert ist.