Ich habe in den letzten 2 Wochen viele Unterrichte hier in Kigeme besucht. Die Räume sind alle gleich groß, ca. 6 x 7 lang und breit. Bis auf die drei ganz alte Räume haben die Räume auf beiden längeren Seiten Fenster und auf beiden Stirnseiten wird durch aufgebrachte Tafelfarbe die komplette Länge als Tafel genutzt. Es gibt keine Regale, Schränke, Wasseranschluss und erst recht kein Material. In einigen Räumen ist an dem Blechdach eine einzelne Leuchtleiste angebracht, aber es gibt noch diverse Räume ohne Strom und somit Licht. Aufgrund des gleichbleibenden Klimas hier zwischen 20 und 28 Grad ist eine Heizung nicht notwendig, aber wäre auch völlig undenkbar. Alles was geheizt werden muss wird durch Verbrennen von Holz an Wärme erzeugt, ihr erinnert euch bestimmt an die Berichte aus der Küche. Somit sind als einziges Mobiliar in den Klassenräumen zwischen 15 und 20 Holzbänke, in denen jeweils drei Kinder Platz finden müssen. Eine Bank ist dabei ca. 1 m breit. Diese werden dann senkrecht zu den beiden „Tafeln“ aufgestellt. Da die Schüler:innen außer ihren DIN A5 Heften keine Materialien haben, werden auch keine weiteren Ablageplätze benötigt. Unter jeder Bank ist ein Minifach, wo dann die Hefte für die anderen Fächer abgelegt werden, wenn sie denn vorhanden sind. Tafel putzen ist eine sehr staubige Angelegenheit, aber mit Durchzug klappt das hier. Einen Schwamm gibt es nicht, irgendwelche Stofffetzen oder auch schon mal Papierreste werden benutzt und liegen danach auf dem Boden, da es kein Waschbecken oder anderen Aufbewahrungsort für den Lappen gibt.

Die Tafeln werden sehr schnell mit unglaublich viel Inhalt gefüllt und die Kids schreiben das alles sehr ordentlich und zügig ab. Unterrichtssprache und Schrift ist Englisch (außer im Kindergarten), häufig wird jedoch noch nach kinyarwanda übersetzt. Formelsammlung, Lineale, Taschenrechner, Bücher, Projektoren oder Beamer, Fachräume gibt es alles nicht. Im Lehrerzimmer habe ich ein paar zusammengerollte Karten für Geographie gesehen und eben jetzt ein paar Geometriematerialien durch die Spende, ansonsten: nichts. Jeder Lehrer hat einen weißen Kittel an und eine Schachtel mit weißer Kreide und dann geht es ab in den Unterricht. Bunte Kreide gibt es wohl nur sehr selten.

Hier wird aufgrund der strengen Vorgaben der Curricula sehr frontal unterrichtet. Definition, ein Beispiel einer Aufgabe an der Tafel, dann zwei Aufgaben für die Kinder selber zu berechnen und dann Vergleich und Besprechung an der Tafel. Manchmal auch Arbeit in Kleingruppen, ergibt sich aber auch zwangsläufig aus der Sitzordnung. Drei Kids in einer Bank, die nur knapp breiter als 1 Meter ist, bedeutet zwangsläufig auch Austausch mit dem Nachbarn. Dann werden evtl. Fragen geklärt (wobei es meistens keine gibt von Seiten der Kids) und jede Menge Hausaufgaben an die Tafel geschrieben. Diese sind oft sehr viel komplexer, als die besprochenen Aufgaben an der Tafel. Die Kids werden hier richtig zum Denken gezwungen.

Ich habe in diversen Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen hier Beispiele für alternative Formen des Unterrichts genannt. Diese werden auch sehr interessiert aufgenommen und teilweise auch direkt umgesetzt. Jedoch gibt aufgrund der der teilweise riesigen Zahl an Schülerinnen und Schülern und der absolut nicht vorhandenen Ausrüstung auf beiden Seiten häufig Probleme. Arbeitsblätter zum bearbeiten, ausfüllen, ausschneiden oder als Wochenplanaufgaben sind nicht möglich. Ich habe in den zwei Wochen keine einzige Kopie für die Kids gesehen. Es gibt nur einen Drucker mit Kopierfunktion im Stuffbüro, der ist nicht für Kopien der Lehrer gedacht. Es läuft alles über die Tafel und es werden Unmengen an- und somit von den Kindern abgeschrieben. Aber selbst die Kids in der Primary School schaffen das schnell und extrem ordentlich. Kein Vergleich zu unseren, die mit zwei Merksätzen teilweise schon überfordert sind…

Da es keinen Chemiefachraum (auch sonst keine) gibt und somit natürlich kein Labor und Material wird ausschließlich theoretisch unterrichtet. Sehr wissenschaftlich wird hier alles aus dem Lehrbuch an- und entsprechend abgeschrieben. Sämtliche Eigenschaften, Formen, Vorkommen und Anwendungen von Schwefel waren Thema, danach geht dann genauso weiter mit den wichtigsten schwefelhaltigen Verbindungen. Zwischendurch werden kurz naheliegende Themen aus anderen Fächern oder dem Umweltbildung mit angesprochen und dann geht es weiter. Da es kein Periodensystem gibt haben die Kids das auswendig gelernt.

Auch in der Abschlussprüfung gibt es keine weiteren Hilfsmittel, alles muss im Kopf sein. Die zentralen Prüfungen sind nach P6 und S3 und entscheidend für den weiteren Schulverlauf. Es gibt eine Schulpflicht für 9 Jahre, also bis nach S3. Danach geht es nur mit entsprechenden Noten und dann auch nur mit Schulgeld weiter, was viele nicht haben. Deswegen suchen viele schon vorher eine Arbeit, oft nur einfachste  und schlecht bezahlte Hilfsarbeiten. Mittlerweile gibt es einige von den berufsvorbereitenden Schulen, wie ich sie hier am ersten Tag vorgestellt habe. Dort wird dann nach S3 für ein Jahr eine handwerkliche Schulbildung vermittelt. Diese Schulen werden absolut gebraucht, da es sehr viele Kinder und Familien gibt, die sich weitere Schulen nicht leisten können und selbst diese Schule muss Schulgeld verlangen, da sie sonst keine Lehrer und kein Material bezahlen kann. Aber die Idee einer beruflichen Schulbildung für wenig Geld ist absolut richtig und notwendig, leider noch viel zu wenig vorhanden für diese Mengen an Kindern. Ein sehr großes Problem! Meine letzte Spende werde ich morgen in dieser Schule abgeben und somit dort einen kleinen Beitrag für Holz und Stoff für die praktische Ausbildung beitragen.

Der Beruf Lehrer ist hier nicht gut bezahlt, selbst im Vergleich zu anderen Arbeiten sind Lehrer unterbezahlt. Ein Bankangestellter verdient das 2-3fache eines Headteachers, somit natürlich noch viel mehr als ein Lehrer.
Das Gehalt ist gestaffelt nach der Art des Examens eines Lehrers, der Schulformen in der unterrichtet wird und der Dauer im Schuldienst. Mehrere Beispiele sollen verdeutlichen, wie wenig hier als Lehrer verdient wird, auch wenn hier die Kosten natürlich viel geringer sind als in Deutschland.
Ein frisch eingestellter Lehrer der Primary School verdient hier umgerechnet 47,60€ im Monat, eine Kollegin mit einer 30jährigen Berufspraxis 110,50€ im Monat. An der Secondary School verdient der Schulleiter 252€ im Monat, ein Kollege mit der niedrigeren Ausbildung und wenig Berufserfahrung 52€, einer mit höchster Qualifikation und mehr Berufserfahrung 152€, alles immer monatlich! Noel z.B. hat mir erzählt, dass er für ein Auto ca. 4 Jahre sparen muss. Allerdings haben hier nur sehr wenige Menschen ein Auto, alles wird hier mit dem Bus oder Moto erledigt.
Lehrer sind hier auch Angestellte der Regierung, haben aber keinen sozialen Status wie bei uns und auch nicht die Achtung in der Gesellschaft. Im pädagogischen Bereich wird hier sehr schlecht bezahlt. Alle Lehrerstellen sind Vollzeitstellen, es gibt keine Teilzeit. Es ist für alle Anwesenheitspflicht von 7.00 bis 15.30 Uhr in der Secondary School, in der Primary School und im Kindergarten bis 17 Uhr. Die nicht unterrichteten Stunden müssen zur Vorbereitung genutzt werden, wobei hier ein Lehrer 4 verschiedene Hefte ausfüllen muss, u.a. auch mit detaillierten Unterrichtspläne für jede Stunde. Aber der gravierendste Unterschied neben der Bezahlung ist die Masse an Kindern und die nicht vorhandene Ausstattung. Und selbst das wenige, was die Kinder hier haben sollen, fehlt häufig. Darum kümmern sich größtenteils auch noch die Lehrer, indem sie die Leitung informieren und die dann die Eltern besucht und versucht Lösungen zu finden. In Kigeme B kommen über 80% der Kinder aus dem Flüchtlingslager.

Ruanda, das Land der 1000 Hügel, der 1000 Probleme und 1000 Lösungen…